Der Junge muss mal raus und unter Leute

Zwangspause in Tiflis

von | 19.10.2022 | Fotos, Tbilisi, Zu Fuß

Jetzt hat mich also erwischt. Ich bin zurück in Tiflis und habe Durchfall. Nicht schlimm, aber genug, um mein Vertrauen in einen ununterbrochenen Stadtbummel zu erschüttern und so bleibe ich einen Tag im Hotel liegen. Schlimm ist das nicht, ich habe genug zu schreiben und Fotos/Videos zu bearbeiten und kann endlich ein paar Tage an Tagebuch nachholen.

Und außerdem habe ich ja noch Netflix, was glücklicherweise, im Gegensatz zu Disney+, in Georgien funktioniert. WTF Disney?

Tag zwei der Zwangspause geht schon besser und ich esse wieder was. Abends gehe ich wieder raus und erkunde die Gegend um das Hotel. Dieses mal bin ich in der Altstadt, was sehr touristisch ist. Man merkt den Unterschied hauptsächlich daran, daß man hier wesentlich häufiger angesprochen wird. So wird gefühlt alle paar Meter gefragt, ob man nicht ein Taxi, eine Tour, Saft, Nüsse, Karten, Essen, Trinken oder in einen Strip Club möchte. Keiner fragt, ob ich meine Ruhe will, aber das ist dafür auch definitiv das falsche Viertel.

Fairerweise sei aber erwähnt, daß die Angebote nie aggressiv vorgetragen werden oder ein “Nein” nicht akzeptiert wird. Man wird gefragt, man sagt nein und wird dann auch in Ruhe gelassen. Das kenne ich durchaus anders und die Leute bedrängen einen dann noch. Das ist hier noch nicht einmal passiert; wieder mal Punkte für Tbilisi. Und nur für’s Fragen kann ich ja keinem böse sein.

Eine Sache, die ebenfalls überzeugt ist, daß man sich immer sicher fühlt. Ich mache mir null Gedanken darüber bestohlen oder gar ausgeraubt zu werden. Selbst in relativ ruhigen Ecken mit weniger Straßenbeleuchtung überkommt einen nie ein mulmiges Gefühl oder Angst. Zwar habe ich von angeblichen Überfällen auf indische Austauschstudenten gelesen und gehört, aber das scheint leider eher rassistisch motiviert zu sein. Mein Hauttyp ist “transparent” und werde daher meist für einen Russen gehalten. Es scheint auch die üblichen Großstadt Scams und Touristenrabatte zu geben. So hole ich mir an einem Stand einen Becher mit Stücken von Melonen, Ananas, Trauben und Orangen, der mich 20 Lari kostet. Der Herr neben mir, der Georgier ist und den gleichen Becher ersteht, reicht zwar auch einen 20er, erhält aber Rückgeld. Nicht so wild, ich hätte besser vorher nach dem Preis gefragt.

Die Preise scheinen auch eine Frage des Standorts zu sein. Am nächsten Tag zieht es mich zu den Überbleibseln der Narikala Festung aus dem 4. Jahrhundert. Dort möchte man für einen halben Liter Wasser 5 Lari haben, knappe zwei Euro, in dem Mini Markt in der Straße meiner Unterkunft ruft man dafür 1,20 auf.

Bevor ich zur Festung aufbrach, hatte ich allerdings noch Wichtigeres vor. Wanderschuhe kaufen. Ich google also nach Outdoor Läden und finde drei Stück. Der größte davon scheint der Hypermarket Xtreme zu sein. Der heißt wirklich so und ist damit schon allein deshalb einen Besuch wert. Drei Stockwerke hat er zu bieten, was für hiesige Verhältnisse ziemlich Xtreme ist. Wirkt ein bisschen wie Globetrotter, auch wenn die Auswahl nicht ganz so groß ist. Nach dem Eingang direkt links stehen tatsächlich drei Regale mit Schuhen und Stiefeln. Das meiste davon sind wohlbekannte Hersteller wie La Sportiva, Mammut, Salomon, Merrell oder Salewa. Nice, vielen Dank, das rettet mir quasi den Urlaub!

Ein Verkäufer nähert sich, riecht den Touristen und spricht mich deshalb auf Russisch an. Mein einer Satz auf Russisch ist mal wieder dran und er erklärt, daß sein Englisch nicht so prickelnd ist, aber es wird schon reichen. Und wieder einmal klappt die Kommunikation mit limitiertem Wortschatz auf Englisch und Händen und Füßen super. Der junge Mann berät ausgesprochen kompetent und holt mir alles in Größe 46 aus dem Lager, was er für meine Zwecke angemessen hält. Ich teste alles durch und entscheide mich dann für ein Paar Salomon Stiefel. Die sagen mit optisch zwar nicht so zu, sind aber mit Abstand die bequemsten und fühlen sich direkt nach dem Anziehen wirklich gut an. Nicht zu schwer, stabil, breit genug und die Zehen haben genug Platz. Nichts reibt oder drückt, nice, nehm ich.

Xtreme ist auch der Preis, denn die Dinger sind leider etwas teurer als zu Hause. Zwar nur knappe 30 Euro Unterschied, still though. Egal, damit kann man arbeiten und vor allem wandern und dafür wollte ich ja eigentlich her. Somit wird die Karte gezückt, bezahlt und dann zurück in’s Hotel, anziehen und gleich mal einlaufen.

Ich suche mir den botanischen Garten aus, denn der liegt zum einen in der Nähe und auf einem der vielen Hügel, welche Tiflis umgeben. Dazu kommt, daß fast nebenan noch die Festung liegt, von der ich eingangs sprach in die auch gutes Terrain zum Einlaufen von Schuhen bietet.

Der botanische Garten ist richtig schön und zieht sich quasi über ein Plateau des Hügels direkt hinter meiner Bleibe.

Sehr schöne Aussicht vom fast höchsten Punkt im botanischen Garten.

Und ein kurzes Video, daß einen, wie ich finde, besonders schönen Abschnitt des Garten zeigt.

Auf dem Weg dahin entdecke ich noch eine Katze, welche es sich auf dem Tisch von ein paar Bauarbeitern gemütlich gemacht hat.

Und noch eine Ansicht von einem Hügel im Garten, der etwas weiter hinten lag. Rechts oben sieht man auch die “Mutter Georgiens”, eine Statue, die neben der Festung auf einem weiteren Plateau steht.

Auf dem Weg zurück lauert man mir auf.

Der Garten hat einiges zu bieten. So findet man einen Wasserfall, diverse Brücken, einen Bambuswald, welcher der Beschilderung nach gern mal aktiv von Besuchern eingebunden wird und exotische Sitzgelegenheiten im Shabby-Chic-Look.

Den Garten erkundet, mache ich mich auf den Weg zur Festung. Auf dem Weg dahin wird man mit wirklich schönen Aussichten auf die Stadt belohnt. Zwar passier man hier leider auch eine ganze Reihe an Touristenattraktionen, wie einem Schießstand oder diversen Shops, welche überteuerte Snacks und Getränke anbieten sowie den Eingang zur Seilbahn, für diejenigen, die nicht laufen können oder wollen, aber muss man ja nicht hin.

Dann schließlich die Festung selbst, welche außerMauerresten und einer restaurierten Kirche nicht viel zu bieten hat, aber ich bemerke, daß man hier recht hoch klettern kann, wenn man denn das richtige Schuhwerk anhat. Habe ich also ab dafür. Auf dem Weg dorthin, treffe ich noch einen Kletterpartner, der ähnlich agil unterwegs ist wie ich.

Aber Anstrengung wird hier wieder mit grandiosen Ausblicken belohnt.

Von der Festung nehme ich nun den entgegengesetzten Weg runter und komme dabei durch das Bäderviertel. Hier gibt es diverse Bäder, die sich die heißen Quellen der Stadt zu Nutze machen. Das Wasser ist sehr Schwefelhaltig, was gut für die Haut sein soll. Es ist mir allerdings zu warm und ich habe am Ende meines Trips ohnehin noch eine Woche nur für Tiflis und Umgebung eingeplant, also erkunde ich vorerst nur die Umgebung.

Dabei treffe ich auf Häuser, die sehr nah an den Abhängen gebaut sind, zwischen denen sich eine Schlucht entlang schlängelt an deren Ende ein weiterer Wasserfall wartet. Tiflis überrascht immer wieder.

 

Im obigen Foto sieht man, daß die Brücken hier das gleiche Schicksal zu ereilen scheint wie in Hamburg. Allerdings sind die Schlösser hier mittlerweile in solcher Dichte vorhanden, daß mir erst auf den zweiten Blick klar wird, daß das nicht zur Originalausstattung zählt.

Ich gehe die Wendeltreppe, die auf dem Foto über dem mit dem Wasserfall zu sehen ist hoch und finde mich ich ein paar kleinen Gassen wieder.

Zurück zum Hotel treffe ich auf einen weiteren, aufmerksamen Beobachter.

Der Eingang zu meiner Unterkunft: sehr gemütlich.

Und die Aussicht von meinem Balkon.