Der Junge muss mal raus und unter Leute

Auf zum Arsha Pass

Weil ich die Gesundheit meiner Füße und Beine auf die Probe stellen möchte habe ich mir, direkt nach meinem Trek durchs Truso Valley, eine echte Herausforderung gesucht. Es soll zum Arsha Pass gehen. Der liegt 3000m hoch und ist nicht unbedingt einfach zu erreichen. Zudem ist es ja schon Ende Oktober weswegen ich nicht unbedingt mit sommerlichen Temperaturen rechnen kann; besonders in der Höhe.

Ich lasse Vorsicht walten, gehe früh in’s Bett und stelle mir den Wecker auf 05:00 Uhr. Nicht so meine Zeit, aber was tut man nicht um die gescheiterte Wanderung nach Ushguli zu kompensieren. Ich wollte Berge sehen und möglichst hoch, also gönn ich mir das, dammit! Am Tag zuvor kaufe ich noch Proviant und Wasser. Apfel, Birne, Brot, Fleisch und 2 Liter Wasser, mehr passt nicht in meine Trinkblase und mehr will ich auch nicht schleppen. Es stehen gute 25km Roundtrip an. Dazu gilt es 1300 Höhenmeter zu überwinden. Ich habe keine Ahnung, was ich mir darunter vorstellen kann, ich weiß nur, daß es anstrengend wird.

Der Wecker klingelt. Shit! Es ist so schön warm im Bett, warum…shut the fuck up, steh auf und geh duschen, du Lauch! Du wolltest wandern und jetzt gehst du wandern! Yes Sir, innerer Monolog, Sir!

06:05 schließt die Tür meiner Unterkunft und es geht los. Ich habe gelesen, daß allein der erste Teil zur Dreifaltigkeitskirche hoch schon ziemlich schlauchen soll. Tags zuvor habe ich den Aufstieg schon mal gescoutet, um zumindest den ersten Teil schon gesehen zu haben, bevor es ernst wird. Und yup, das ist steil. Ohne Rucksack war das schon nicht witzig, jetzt kommen 18kg dazu, yay!

Es ist stockdunkel und so leer habe ich Stepantsminda noch nie gesehen. Es ist wirklich niemand unterwegs. Kurz vor der Brücke, die aus dem Dorf führt, raschelt irgendwas hinter mir. Ich drehe mich um und sehe nur einen kleinen Schatten. Die Straßenbeleuchtung ist hier ziemlich kacke und wohl eher symbolisch gemeint, also warte ich einen Moment und aus dem Gebüsch tritt eine streunende Hündin. Mischling, denke ich, irgendeine Art Jagdhund wird mit drin sein, denn sie hatte süße Schlappohren und erinnert ein bisschen an einen Beagle, nur wesentlich größer. Sie nähert sich langsam und mit wedelndem Schwanz. Die Straßenhunde hier sind bisher alle sehr zutraulich und freundlich und ich habe noch nie erlebt, daß sie schlecht behandelt oder verjagt wurden. Und so legt sie sich, kaum daß sie in Reichweite ist, auf den Rücken und streckt mir den Bauch entgegen. Kann ich schlecht nein sagen und so gibt‘s erst mal eine Runde Streicheleinheiten.

Es geht weiter und sie begleitet mich durch die Dunkelheit. Wir erreichen Gergeti, daß Dorf, von welchem der Aufstieg zur Kirche und damit die erste Etappe beginnt. Direkt hinter dem Dorf hört auch die Alibi-Beleuchtung auf. Zeit für die Taschenlampe, denn man sieht nun wirklich gar nichts mehr.

“Good Girl“, so taufe ich meine Begleiterin, schreitet voraus und scheint den Weg auswendig zu kennen. Als Zweibeiner und mit aufrechtem Gang bin ich ihr absolut unterlegen und so legt sie sich alle paar Meter hin und wartet Geduldig, bis der bipede Depp endlich wieder aufgeholt hat.

Wie erwartet ist es steil und anstrengend! Egal, alle paar hundert Meter eine kurze Pause, was trinken, zusammenreißen und weiter. Good Girl motiviert zusätzlich weil sie die teilweise die kürzesten Wege kennt und mit damit unnötige Kletterei erspart! Good Girl, indeed!

Mit der Zeit, lässt sich etwas Licht hinter den Bergen wahrnehmen und damit wird klar, daß es noch ziemlich neblig ist. Nach einer gefühlten Ewigkeit sehe ich über mir im Nebel einige Mauern der Kirche. Nice, erste Etappe also fast geschafft. Ich checke die Karte und lasse meine Position updaten. Ich habe gerade mal einen winzig kleinen Teil der Strecke geschafft. Das treibt nicht unbedingt an, andererseits ist das Hauptproblem die Ausdauer und nicht die Beine. Das ist gut, Ausdauer lässt sich regenerieren, denke ich mir und pushe den letzen Teil zur Kirche.

Ich steige die kleine Straße bis zur Kirche empor und drehe eine kurze Runde. Kleiner als erwartet, aber die Architektur ist glaube ich auch weniger der Selling Point. Location, location, location – die Lage macht‘s. Und die liegt wirklich beeindruckend auf einem Hügel direkt über Gergeti und etwas vor Stepantsminda. Egal von wo man auf sie schaut, es ist immer ein Bergmassiv dahinter. Ich verzichte auf eine Besichtigung, denn ich habe noch einiges an Strecke vor mir. Auf dem Weg von der Kirche zu meinem nächstes Abschnitt, gesellt sich ein weiterer Hund dazu: Good Boy. Good Girl hat geduldig vor der Kirche gewartet und schließt sich nun wieder an.

Es ist heller geworden und ich gehe ein kleines Stück auf der Straße, auf der man, wenn man denn möchte, sich zur Kirche fahren lassen kann, bevor dann wieder Offroad angesagt ist.

Das „Oha“ bezieht sich übrigens auf den größten Raben, den ich je gesehen habe und uns beim Filmen überflog.

Ich musste dann eben die Kamera switchen, denn während ich rede, tut sich ein Riss im Nebel und den Wolken auf und offenbart previewartig den Gipfel des Mount Kazbek in Sonnenlicht gehüllt.

Das motiviert für den „richtigen“ Anstieg, der mir jetzt bevorsteht. Weil ich scheinbar Masochist bin, habe ich mich nämlich für die steilere und längere Route hoch entschieden, welche bessere Ausblicke gewähren soll als die „klassische“ Variante. Ein Blick zurück zeigt die Kirche in Nebel gehüllt – sieht schon cool aus.

Das Bild oben zeigt übrigens schön, wo es langgehen wird. Kurz bevor die Straße im Nebel verschwindet, biegen wir links auf einen Schotterpfad ab und verlassen damit die „Zivilisation“.

Meine beiden Traildogs sind übrigens sehr gute Wachhunde. Kurz bevor wir abbiegen, grasen ein paar Pferde links und rechts der Straße. Kaum nähert sich mir eines der Pferde wird es sofort angebellt! Die Pferde nehmen es gelassen.

Es wird wieder steil. Und kälter. Mit zunehmender Höhe merkt man, daß der Wind irgendwie mehr beißt und der Boden zudem härter wird. Es gibt kaum Abschnitte auf denen man sich ausruhen könnte und so heißt es pushen und nicht nachlassen. Es muss nicht schnell gehen, nur kontinuierlich!

Das „fasst geschafft“ aus dem Video bezieht sich übrigens nicht auf das Endziel sondern auf die Kuppe links neben dem Gipfel des Kazbek – unten zu sehen.

Ich bin froh meine beiden Traildogs am Start zu haben, den die versorgen mich immer wieder mit ein paar Lachern, hellen die Laune auf und sorgen so für Motivation.

Leider bleibt es recht neblig und ich befürchte, daß es so bleiben wird, aber zum Glück wird das Wetter immer besser, je näher wir dem Pass kommen und offenbart bessere Blicke auf den Kazbek.

Das Wetter meint es gut mit mir und je höher wir kommen, desto weniger Nebel und Wolken versperren die Sicht, bis wir dann schließlich irgendwann über die Wolken gelangen.

So dicht vorm Ziel zu sein hebt auch die Laune sichtlich!

Ein letzter Push ist nur noch nötig und wir sind endlich am Arsha Pass. Der Ausblick ist perfekt, denn inzwischen sind kaum noch Wolken am Start. Man hört, daß die Luft hier doch merklich dünner ist!

Es sind 5 Stunden bis hierhin vergangen (in dem Video weiter unten vertue ich mich mit der Zeit), was dann selbst an Good Girl nicht spurlos vorbei geht.

Es ist Zeit für eine Pause. Hätte ich vorher machen sollen, aber ich dachte mir pushen ist wichtiger und so entstehen representative vorher/nachher Bilder.

Nun fehlt nur noch ein kleines Stück bis zum Gletscher, aber:

Egal, die 3000m sind geknackt und es gibt ja auch ein nächstes Mal. Also wieder zurück.

Jetzt, wo der Boden nicht mehr gefroren ist, sind die Stöcke auch wieder von Nutzen. Allerdings fällt mir jetzt auch in‘s Auge, was mir auf dem Hinweg, der weniger frequentiert ist, erspart geblieben ist.

Auch Glasscherben un Dosen liegen hier massig rum. Toll für die Hunde! Was für ein Haufen Pisser! Wie schwer kann es denn sein die Scheiße einfach in ne Tüte zu stopfen und wieder mitzunehmen? Regt auf sowas!

Egal, weiter geht‘s. Good Boy hat sich inzwischen abgeseilt, denn wir treffen nun, wo das Wetter etwas besser wird und wir uns auf dem „Hauptweg“ befinden, auf andere Wanderer und er hat jemanden gefunden, der noch Snacks hatte. Wer bleibt allerdings an meiner Seite? Richtig! Good Girl! Mir zerreißt es unterwegs einmal das Herz, als wir auf ein Pärchen treffen, daß sie mit Streicheinheiten und Snacks überschüttet und sie für einen Moment winselnd dasteht, weil sie sich nicht entscheiden kann mit wem sie nun mitgehen soll. Ich streichele ihr den Kopf und sage ihr, daß es absolut ok ist, mit dem Pärchen mitzugehen, denn die können ihre Hilfe auf dem Weg nach oben eher gebrauchen als ich runter. Sie scheint zu verstehen und geht mit den beiden mit. Etwa 3 Minuten später, ich bin weiter auf dem Weg bergab, höre ich lautes Jaulen. Ich mache mir Sorgen und wende um sicherzugehen, daß das nicht Good Girl in Schwierigkeiten ist. Über eine kleine Kuppe hinweg sehe ich sie dann stehen. Sie jault, erspäht mich, hört auf zu jaulen und rennt auf mich zu. Ich verdiene diese Hündin nicht, denke ich mir, so ein treues Wesen! Und so bleibt sie tatsächlich fast bis zum Ende bei mir. Kur bevor wir die Kirche erreichen, wird sie bei einer Familie aus Schweden schwach. Die Kinder lassen nicht von ihr ab und schenken ihr soviel Aufmerksamkeit und Liebe, daß sie beschließt dort zu bleiben. Das hat sie sich verdient! Gerne hätte ich ihr noch ein richtiges Essen spendiert, aber sie scheint sich wohl zu fühlen. Good Girl!!!

Und so mache ich dann noch ein paar Bilder von der, inzwischen nicht mehr in Nebel gehüllten, Kirche und quäle mich dann den letzten Rest des Abstiegs herunter.

Am Ende in jeder Hinsicht.

Und auch hier darf ein kurzer Flug mit der Drone nicht fehlen. Man merkt allerdings, daß in großer Höhe die Kamera mit der dünnen Luft zu kämpfen hatte, was zu einer drastisch reduzierten Flugzeit geführt hat.